Sie sind Ordensschwestern, die keinen Habit tragen; sie üben ganz normale Berufe aus und leben und beten gemeinsam in einer Wohnung in Hamburg-Billstedt. Schwester Gudrun, Schwester Claire-Cécile, Schwester Francoise, Schwester Béatrice und Schwester Coralie gehören dem Orden der Xavière an, einem Orden, der in Frankreich im 20. Jahrhundert entstanden ist. Heute leben insgesamt 119 Xavière-Schwestern in Frankreich, Afrika, Kanada und seit 2012 auch in Hamburg. Die Berufungswege der vier Frauen könnten unterschiedlicher kaum sein. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Christi Ruf im alltäglichen Leben folgen.
Frei, authentisch und normal
Schwester Gudrun ist die einzige Deutsche in der Hamburger Gemeinschaft. Den Orden der Xavière hat sie in ihrer Zeit als Au-Pair in Frankreich zufällig kennengelernt, und auch wenn sie gar nicht daran gedacht hatte, einmal im Orden zu leben, fühlte sie sich bei den Xavière-Schwestern sofort am richtigen Ort: „Ich war damals schon auf der Suche, was kann in meinem Leben Sinn machen. Und dann habe ich – ein bisschen per Zufall – an einem Wochenende mit jungen Erwachsenen diesen Orden kennengelernt in einem Haus in der Provence, und es war für mich so ein Aha-Erlebnis, ich bin da rein und hatte das Gefühl, ich komme nach Hause. Ich habe mich umgeschaut und habe Frauen gesehen, die ich als sehr frei und sehr authentisch wahrgenommen habe und vor allem als sehr normal; und mit ihnen habe ich mich identifizieren können.“
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Christus war immer gegenwärtig
Ihre Mitschwester Francoise kommt aus Paris. Sie hatte schon früh daran gedacht, Ordensschwester zu werden: „Christus war immer in meinem Leben gegenwärtig. Ich erinnere mich nicht an ein Leben ohne diese Gegenwart.“ Was sie an den Xavière-Schwestern begeisterte: „Bei den Xavière war es jung und dynamisch. Und was mich bei den Schwestern erstaunt hat, war, dass man, obwohl man mitten in der Welt lebt, dem Gebet einen großen Platz gegeben hat.“
Die verlorene Tochter
Schwester Claire-Cécile hingegen beschreibt ihr Berufungserlebnis wie einen Blitz aus heiterem Himmel und vergleicht es mit dem Gleichnis des verlorenen Sohnes. In einer sehr katholischen Familie aufgewachsen, wurden ihre Glaubenszweifel ab dem 13. Lebensjahr immer stärker. „Zwischen 13 und 20 Jahren war ich ungläubig und atheistisch, ich kämpfte gegen die Kirche, die Religion“, erzählt sie. Argumente lieferten ihr während ihres Studiums die Philosophen Freud, Nietzsche und Schopenhauer: „Ich verachtete die Christen und ich verspottete sie“, sagt sie heute. Doch aus irgendeinem Grund, der ihr bis heute noch nicht ganz klar ist, nahm sie an einer Pilgerfahrt der Hochschulgemeinde teil. Obwohl sie dem Priester sagte, dass sie nicht glaube und dass sie sich lustig mache, spendete er ihr das Sakrament der Versöhnung. „Als ich aus dem Beichtstuhl aufgestanden bin, war das wie ein Licht, und ich habe viel Liebe gespürt. Die Gnade war stärker als ich und hat alle Widerstände überwunden. Für mich war sofort die Berufung angekommen, verbunden mit dieser Frage eines Psalmes: ,Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?´ Und ich konnte nicht weniger als mein Leben zurück geben“, sagt Schwester Claire-Cécile.
Näher an den Menschen sein
So unterschiedlich wie die Berufungswege, sind auch die Berufe der Schwestern: Schwester Gudrun leitet die Pastorale Dienststelle des Erzbistums Hamburg, Schwester Claire-Cécile ist in der Hochschulpastoral tätig, andere Schwestern arbeiten außerhalb des kirchlichen Bereiches, so wie Schwester Béatrice, die eigentlich Physikerin ist, zurzeit aber im sozialen Bereich tätig ist, weil sie so näher an den Menschen sein kann. Doch nicht nur der weltliche Beruf unterscheidet die Xavière-Schwestern von anderen Ordensgemeinschaften: „Viele Orden sind spezialisiert und widmen sich kranken Menschen oder leiten Schulen, das machen wir nicht. Wir haben auch keine Werke, wir arbeiten in verschiedenen Bereichen je nach unseren Fähigkeiten und Berufungen. Und wir leben in einer normalen Wohnung. Ein Raum wurde als Kapelle eingerichtet, wo wir uns morgens und abends zum beten treffen“, beschreibt Schwester Béatrice.
Die ganze Welt als Kloster
Als der Xavière-Orden Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich gegründet wurde, waren Staat und Kirche strikt voneinander getrennt. Die Kirche kam mit den Menschen gar nicht mehr in Berührung. Die Gründerin Claire Monestès gab der kleinen Gemeinschaft den Namen des Heiligen Franz Xaver. Wie er möchten die Xavière-Schwestern auf die Menschen zugehen: „Wir müssen raus gehen, wir müssen zu den Leuten gehen und dort leben und arbeiten, wo auch die Menschen sind. Die Idee war, in kleinen Gemeinschaften zu leben, in Wohnungen zu leben und auch ein bisschen unsichtbar zu sein. In Frankreich war es so, dass man nicht im öffentlichen Raum sagen durfte, dass man Ordensschwester ist, deshalb waren wir von Anfang an ohne Ordenshabit, damit wir wirklich auch in allen Berufen arbeiten konnten“, beschreibt Schwester Gudrun die Ausrichtung des Ordens. „Unsere Gründerin sagt, die Xavière sollen die ganze Welt als Kloster und Kapelle haben“, ergänzt Schwester Francoise.
Spiritualität der Entscheidung
Die Spiritualität der Xavière-Schwestern ist geprägt von Ignatius von Loyola. Schwester Gudrun beschreibt sie so: „Unsere Spiritualität ist eine, die sehr stark mitten in der Welt lebt: Also wirklich Gott in allem suchen, in allem finden, bei den Leuten sein, mit den Leuten sein. Nichts ist erst einmal schlecht oder gut, erst einmal ist es da. Und dann entscheiden wir, ist das ein Weg, der uns auch zu Gott führt und uns öffnet für die Menschen? Es ist eine Spiritualität der Entscheidung und eine Spiritualität, die sagt, ja Gott ist überall zu finden im Leben, in den Berufen, in der Welt und nicht nur an bestimmten Orten.“ Für Schwester Claire-Cécile war diese Art der Spiritualität wie ein Geschenk: „Ich wusste nichts über die Spiritualität und habe alles erfahren. So, als ob ich selbst einen Orden gründen würde. Das passt zu mir!“, sagt sie.
„Alles annehmen, damit sich alles entfalten kann.“
Ein Wort der Gründerin Claire Monestès, das sie bei ihrem Eintritt in den Orden zum ersten Mal hörte, leitet Schwester Béatrice bis heute: „Alles annehmen, damit sich alles entfalten kann.“ Dieses Wort überzeugte sie sofort: „Das hat mit der Liebe zu tun und mit dem Wachstum. Wie können wir eine Situation oder auch Menschen begleiten, damit sie zu mehr Leben gelangen.“